Buenos dias Neugierige, Interessierte und Weltentdecker mit Herz,
Ich bin frisch zurück von 5 Wochen Roatán mit einem Einsatz im Tierpark und vielleicht kann ich euch ein bisschen was erzählen, was die Vorfreude steigert.
Zuallererst – die Annahmen und Vorurteile: „Waaaaas? Du fliegst alleine? Du bist jung, klein und blond. Das ist viel zu gefährlich! Fliegt von der Organisation denn niemand mit? Keine ganze Gruppe Voluntäre?“ Die Antwort auf schlichtweg alles: Nein.
Die Menschen sind lebendig, höflich, zuvorkommend, kontaktfreudig und ja, sie gucken gerne und viel, wenn man durch die Straßen läuft und auffällt wie ein bunter Hund, und ja, sie flirten gerne, aber gleichermaßen mit der einheimischen Damenwelt UND – das allerwichtigste: dich verfolgt und belästigt niemand. Ein „Hey Babygirl“, „Hi Sweetheart, you look amazing“ im Vorbeigehen gehört zur Alltagskommunikation. Ein „Hi“ und ein Lächeln als Antwort und jeder geht weiter seines Weges. Sie sind interessiert, sprechen dich im Bus an, möchten wissen woher du kommst, wie dein Leben so ist und berichten – authentisch mit allen Facetten – vom Inselleben. Vom Guten, von Problemen und warum sie trotz aller Probleme so positiv und entspannt eingestellt sind. Warum sie füreinander da sind und warum selbst die Ärmsten ihre Bombontüte im Bus rumreichen. Sie empfehlen dir, sobald sie merken, dass du eine Weile bleibst und kein Tagesanhalter vom Kreuzfahrtschiff bist, von den Hotspots, die nur die Islander kennen und lieben und nach 3 Wochen zahlst du im Bus nicht mehr den Touristenpreis sondern kriegst den Einheimischenpreis. Du gehörst dann schon zur Familie, wenn du gleichermaßen offen erzählst wie neugierig zuhörst.
Nächste Befürchtung: „Na hoffentlich kommen dann da keine Hurricanes solange du da bist.“ Knapp gefehlt: Meine Anreise war kurz nachdem Hurricane Milton nur knapp vorbei gedüst ist, der Anflug wegen eines Vulkanausbruchs in Mexiko erst kritisch aussah und kaum war ich nicht ganz eine Woche da, kam Tropensturm Sara. Knapp 3 Tage gab es nur sporadisch Strom, die Westseite der Insel war überflutet, doch: die Erfahrung war wertvoll. Per Taschenlampe haben wir statt auf dem Herd eben einfach auf meinem Gasherd gekocht. Als Team – Taschenlampenhalter für den Schnippler und den Koch am Herd. Tropensturm ist, wenn die Islander zusammenrücken.
Nächste Mutmaßung: „Die betteln dich bestimmt pausenlos an.“ Nächstes kategorisches „Nein, tun sie nicht.“ Die Kinder bis 1., 2. Schuljahr sind manchmal fordernd, wenn man vorbeiläuft: „Give me 1 Dollar“, aber sie werden nicht von den Eltern geschickt. Im Gegenteil. Denen ist es unangenehm und peinlich und sie sammeln flott ihren Nachwuchs ein. Denn die Insel ist abhängig vom Tourismus und wenn ein Ort erstmal für aufdringliche Kinder bekannt ist, wirft das ein schlechtes Licht auf die Gemeinde und reduziert die Besucherzahl.
Abgesehen davon wurde ich 3 Mal in 5 Wochen nach Geld gefragt. Einer davon war besoffen, der zählt ja jetzt mal irgendwie nicht, Sturzbetrunkene werden an allen Orten der Welt komisch. Der Zweite war ein skelettförmiger alter Herr der nach Geld für Essen gefragt hat u d der Dritte hatte eine sichtlich geschwollene Wange und zeigte mir einen Zettel vom Zahnarzt. Da ich weder Spanisch spreche noch lese, weiß ich nicht, was gemacht werden musste bzw was los war, aber er fragte nach 2 Dollar für den Zahnarzt.
Und beiden habe ich gegeben. 2 Dollar sind in „meiner Alltagswelt“ nichts, wovon ich mir wer weiß was kaufen kann und hier bedeuten 2 Dollar einen vollen Magen oder Schmerzfreiheit. Wenn also Menschen nach Geld fragen, dann nicht sinnlos oder aus Habgier. Man fällt als nicht-Einheimischer auf und ja, man wird mit mehr Geld assoziiert, aber nein, es wird nicht ausgenutzt.
Gelebt habe ich die 5 Wochen mit meiner Gastmutter, die mir eine wirkliche Freundin geworden ist, und zeitweise einer ihrer drei Töchter in Punta Gorda. Sie hat mir ein kleines Apartment zur Verfügung gestellt, so hatte ich Privatsphäre, Ruhe, wann immer ich wollte, aber dafür war ich ja nicht dort. Sondern um das Leben kennenzulernen. Die Tür meiner Gastfamilie stand mir immer offen, wir haben so ziemlich alles geteilt. Wir haben Streetfood heim geholt, mal habe ich was Deutsches für alle gekocht, mal hat sie gekocht und wie oft kamen Freunde von ihr vorbei und haben ihrerseits alle bekocht. Und so gab es für mich Essen aus allen möglichen Traditionen und Kulturen kennenzulernen. Als Vegetarierin war ich dort eine echte Rarität. Fast alles ist mit Fisch oder Fleisch, aber sobald du es z.B. im Restaurant erwähnst, zaubern sie dir alle was leckeres Heimisches. Dank der Gewürzvielfalt ist selbst Reis mit Bohnen schon ein ungewohnter Hit.
In Sachen Leben und Wohnen durfte ich mich doch ziemlich umstellen. Tagesanbruch schon um 5, 17.45 ist’s schon dunkel. Die Dusche gibt es ausschließlich in einer Temperatur und die heißt „Kalt“. Auch Krabbeltierchen gibt’s natürlich allerhand, zum Glück war meine Gastfamilie stets zur Stelle, um mich vor jedweder Bedrohung mit mehr als 4 Beinen zu retten – Spaß bei Seite. Es gibt echt viel Krabbelzeug, aber selbst da gewöhnt man sich ruckizucki dran.
Als Mensch mit Herz für Tiere war mir die Vorstellung von X Straßenhunden ein Graus, aber aus demselben Grund, aus dem selbst die Ärmsten ihr weniges Hab und Gut teilen, hat fast jeder Straßenhund eine Art Patenhaushalt gefunden, wo er Wasser bekommt, die Reste vom Mittagstisch und, wer es sich leisten kann, kauft sogar im „Mini Super“ – quasi ein „Tante Emma Kiosk“ und die stehen da gefühlt alle 100 Meter – eine Tüte Trockenfutter. Der Grund ist ein fester Glaube an Karma und ein positives Gefühl, wenn man etwas Gutes getan und gegeben hat. Das genügt den Menschen um glücklich sein zu können und DAS finde ich sehr inspirierend, innerlich erdend und ein begeisterndes Vorbild. Glück entsteht eben nicht aus Materie.
Mein Einsatzort sollte erst ein Park relativ nah an meiner Unterkunft sein. Ein Blick ins Internet hat mich so erschreckt, dass ich mich noch vor Abreise an Eliane gewandt habe, ob sie den Park persönlich kennt. Sie hat mich nach einem Blick auf die Links, die ich ihr gesendet habe, ermutigt, dem Ganzen eine Chance zu geben. Semibegeistert habe ich meinen inneren Kampf dagegen aber zügig aufgegeben, denn was hätte er gebracht? Nichts als Energieverschwendung. Atmen, akzeptieren, loslassen und das Leben nimmt seinen Lauf und so wurde es unerwartet doch ein anderer Park, denn manchmal sorgt das Schicksal dafür, dass man über Umwege am perfekten Ziel angelangt. Und wenn es dafür ein organisatorisches Problem einbaut. Take it the honduran way – Gottes Pläne sehen manchmal ungewöhnliche Wege vor, um deine Erfahrung perfekt zu machen.
Und so verbrachte ich so unbeschreiblich schöne 5 Wochen mit dem Team des Mayan Eden Park. Ein unfassbar großes Team vieler junger Menschen. Mit meinen 33 habe ich da schon eher zum „Alten Eisen“ gehört, machte aber nichts, denn sie nehmen dich einfach mit. Und ehe du dich versiehst, bist du schon adoptiert.
Die Chefin des Parks erwähnte, dass viele, vor allem Deutsche, oft erschrocken auf das junge Alter der Kollegen reagieren. Doch: sie sind im Park beschäftigt, statt auf der Straße rumzulungern, auf einen falschen Weg zu geraten oder ihre Zeit mit Konsolen zu verbringen. Sie bringen Sinn in ihr Leben. Und manche sind eben auch schon Eltern und haben eine Familie zu versorgen. Und so waren nicht wenige erst 17Jährige im Team, einige auch, weil das Leben sie zwang die Schule abzubrechen, damit die Familie zurechtkommt und nun arbeiten sie weiter, um sich ihre Abendschule zu finanzieren und Abschlüsse nachzuholen. Die Erklärung hätte sie mir aber gar nicht geben müssen. Sobald man sich im Park achtsam umsieht, springen einem glückliche Gesichter entgegen. Selbst die jüngsten Kollegen lieben, was sie tun. Und ihre Chefin: Sie hat Regeln und Strukturen und die setzt sie durch. Aber alles andere als dominant sondern sie erklärt, sie geht mit durch den Park und zeigt anschaulich, wieso sie welche Entscheidung getroffen hat und in der Beobachtung fühlte es sich an, als wäre sie dem Team eine zweite Mutter. Und dafür habe ich sie sehr geschätzt.
Und ja, die Insel ist abhängig vom Tourismus, das bedeutet aber für sie noch lange nicht, dass für Touristen „Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt“ wird, denn Überzeugung und Prinzip im Mayan Eden Park ist „Animal welfare first“. Alle Touristen lieben ihre Fotos mit Faultier im Arm, doch: manche berücksichtigen die Regeln nicht oder berühren versehentlich die sensiblen Körperregionen. Das ständige Öffnen und Schließen der Arme strengt das Faultier (unnütz) an. Also: wird kurzerhand eine Alternative entwickelt. Das Faultier kann sich an einem Ast halten, es kann wach sein oder schlafen, essen oder rumgucken und wer ein Foto mit Sid, Flash oder anderen Familienmitgliedern möchte, nimmt den Stock – oder er lässt es. Animal Welfare first.
Der Park umfasst ein riesiges Areal – doch für Menschen zugänglich ist lediglich etwa 10-15%. Der Rest: einfach sicherer Lebensraum für alle Bewohner. Foto mit einem Whitefacemonkey gewünscht? Mal sehen, welcher Freiwillige kommt. Und irgendjemand ist immer zur Stelle und posiert für Erdnüsse und Weintrauben. Aber sie sind frei und im Miteinander und das liebe ich sehr.
Meine Aufgabe im Park war, wie die meiner Kollegen, Touristengruppen den Park zu zeigen, ihnen die Tiere vorzustellen und Fotos mit ihnen zu ermöglichen. Dabei habe ich viel gelernt, inhaltlich wie sprachlich, aber auch das Sozialverhalten und wie ich ihren Wunsch zur Mitarbeit wecken kann. Name, Lebensform, Gattung und bekannte Verwandtschaft. Ernährungsweisen und Lebenserwartung von Ara, Papagei, Klammeraffe, Wickelbär, Kapuzineraffe, Faultier, Nasenbär sowie die Entwicklungsstufen vom Ei zum Schmetterling zählten dazu. Aber auch die Gründe, warum manche Spezies in Gehegen leben und andere nicht, welche Arten miteinander frei und harmonisch leben können und welche sich in Begegnungen bekämpfen würden.
Hin- & Rückweg habe ich mit dem Bus gemacht. Und Bus heißt Sprinter mit i.d.R 12 Sitzen, in dem aber auch 20 Leute Platz finden, im Hop in hop off Prinzip. Man rückt hier zusammen – im wahrsten Sinne. Schrei „Baha“ über 4 Reihen mit 15 Handys mit unterschiedlichster Musik hinweg und der Busfahrer hält, wo auch immer du dich grad gemeldet hast. Gezahlt wird nach Ausstieg mal eben durchs Fenster.
Und wer sich nun fragt: „Ist man da eigentlich NUR am Arbeiten?“ Nein, ist man nicht. Meine Arbeitszeit war 5 Tage die Woche, je 8-14 Uhr. Für gewöhnlich montags bis freitags, die Ausnahme waren 2 Samstage, für die es aber je einen Ausgleichstag gab, weil ein deutscher Volunteer ganz praktisch ist, wenn ein Kreuzfahrtschiff mit ausschließlich deutschen Touristen kommt. Und so hatte ich Zeit:
Für eine atemberaubend schöne Mangroventour in Oakridge samt lebenserstem Schnorchelversuch (nehmt euch eine Unterwasserkamera mit!!), den Dolphin Encounter in Athonys Key, den Besuch in der Schokimanufaktor von West End, einen Nachmittag in der Stone Castle Cameo Factory, einen geführten Ausritt (Augen auf bei der Anbieterwahl, wenn euch Tierwohl am Herzen liegt! Kritischer Punkt meinerseits!), sowie Faulenztage an unterschiedlichen Stränden – von unberührt-natürlichen bis zu den trubeligen von West End und West Bay. Von jeder Inselecke habe ich was mitbekommen.
Ein paar Empfehlungen im Schnelldurchlauf: Nehmt direkt Lempiras mit statt Dollar und zwar ausreichend als gutes Startkapital. Denn ebenso wie der Strom bei schlechtem Wetter öfters mal ausfällt oder das Telefonnetz off ist, hört man öfters mal „Sorry, cash only. The system is not running.“ Und bitte, spart vorab ein bisschen. Trinkgeld ist hier kein Zubrot sondern den Menschen existenziell wichtig und dabei muss es nicht viel sein. Als kleines Beispiel: Abendessen mit 1 Getränk = L155. Habe 20 Lempira Trinkgeld gegeben, umgerechnet etwa 74 Cent und der Mann hat einfach nur über das ganze Gesicht gestrahlt. Für 74 Cent kriege ich hier gar nichts. Für ihn waren sie wichtig.
Nehmt in eurer kleinen Hausapotheke nicht nur was für Kopfweh oder Verdauungschaos mit, sondern auch was zur Wundversorgung nach Insektenstichen sowie eine Pinzette, sie bei Bedarf zu entfernen.
Und das allerwichtigste: Nehmt Großzügigkeit und vor allem ordentlich Humor mit und macht euch locker. Die Menschen leben und lieben humorvoll, sie nehmen sich gegenseitig auf den Arm und spielen sich Streiche.
Nehmt euch was Schickes mit, aber nicht euer Bestes. Beim Waschen färben die Kleidungsstücke ab, selbst jene, die es zu Hause nicht tun. Also bestenfalls keinen kompletten Farbmix mitbringen, sondern für ein zwei „Grundtöne“ entscheiden.
Und nehmt euch Taschentücher mit, denn sobald ihr adoptiert seid und sie dich in ihrer Familie Willkommen heißen, dir sagen du sollst wiederkommen, dein Essen zahlen und dich ohne Spritgeld heim bringen statt dich Taxi fahren zu lassen, damit du dein Restgeld als Startkapital für deine Wiederkehr hast und gleichzeitig sicher in deiner Unterkunft angekommen bist, dann wirst du sie dringend brauchen. Denn mit der Abreise beginnt ein Heimweh.
Also an alle Zweifler und Unschlüssigen: seid mutig und erkundet die Welt, stellt euch aber darauf ein, dass nach Roatán nicht mehr viel kommt, denn die Wärme und offene Nähe der Menschen macht sie zu einer Herzensinsel und einem Zuhause, zu dem ihr wieder zurückkehren möchtet.