Janice aus Deutschland engagierte sich während 3,5 Monate im öffentlichen Spital auf Roatan. Wir danken ihr herzlich für Ihren Einsatz zu Gunsten der honduranischen Bevölkerung. Ihre Erfahrungen teilt sie im nachfolgenden Erfahrungsbericht „Pädiatrie im öffentlichen Hospital auf Roatan, Honduras.
Vorbereitung mit SWHO
Humanitäre Hilfe im Ausland zu leisten und dabei eine Kultur ganz fern von allem kennenzulernen, was ich bisher kenne, war schon immer ein Lebenstraum von mir. Nach dem Abitur stand für mich also fest: ich muss woanders hin. Durch Internetrecherchen stieß ich dann auf SWHO. Ich lernte schnell nicht nur die sehr persönliche und individuelle Art der Organisation schätzen – Eliane, die Organisationsgründerin ist direkt mit mir in Kontakt getreten, hat sich meinen Wünschen gewidmet, mich in meiner individuellen Situation beraten und mich mit vielen Informationen ermutigt und beruhigt – ich schätzte auch die einmalige Chance, eine Insel auf der anderen Seite der Welt mit all ihren kulturellen Schätzen und herzlichen Menschen kennenzulernen und nebenbei bereits mein Pflegepraktikum für das anstehende Medizinstudium abzulegen während ich medizinische Versorgung so nah erleben darf, wie noch nie zuvor.
Roatan war meine erste richtige Auslandsreise überhaupt und als zwanzigjähriges alleinreisendes Mädchen mit keiner Flug- oder Reiseerfahrung und nur sehr beschränkten Medizin- und Spanischkenntnissen wirkte das Vorhaben, drei Monate auf einer kleinen Insel in Honduras in einem Hospital zu verbringen manchmal etwas einschüchternd. Aber Eliane hat mich von Beginn an in jedem Detail der Reise- und Flugplanung unterstützt und sich immer Zeit genommen, um meine Fragen zu beantworten, mich mit Informationen abzusichern oder gar Online-Meetings mit der Krankenhausdirektorin und meiner Gastmutter zu organisieren. Ich glaube kaum, dass man sonst irgendwo eine so individuell zugeschnittene, persönliche und flexible Organisation finden kann.
Roatan:
Nach einer langen Reise von Frankfurt über Houston, Texas nach Roatan kam ich schließlich in dem kleinen Paradies an. Mit Stränden wie aus einem Traum, glasklarem Wasser, kilometerlangen Korallenriffen und tropischen Wäldern ist Roatan der schönste Ort, den ich je gesehen habe. Am Flughafen wurde ich direkt sehr warm und herzlich von meiner Gastmutter Catherine und Dra Cacho, der Direktorin des Hospitals in Empfang genommen. Roatan ist die größte Insel der Islas de Bahia, die „Calle principal“ verbindet dabei die vielen kleinen „Communidades“, in denen die verschiedensten Ethnien beheimatet sind. So besitzen die Garífuna zwar ihre eigene Sprache, können aber auch spanisch und teilweise sogar englisch sprechen. Die „Black english community“ ist eine weitere Ethnie, die englisch spricht und die „Miskito“, die hauptsächlich vom Festland immigriert sind, sprechen nahezu ausschließlich ihre eigene Sprache. Aber nicht nur kulturell hat Roatan viel zu bieten: in der Freizeit kann man neben atemberaubenden Strandbesuchen auch Scuba-Diving, Reiten oder Schnorcheln gehen, eine Wanderung an den Höchsten Punkt der Insel machen, mit Delfinen schwimmen, einen Faultier-Park besuchen oder mit einer Zipline über dem Regenwald schweben. Roatan ist touristisch sehr aktiv, daher wird durch viel Security-Personal auf Sicherheit geachtet und im Vergleich zum Rest von Honduras ist es sicherer und von manchen Problemen nicht ganz so schwer betroffen. Wenn man mit etwas Vorsicht agiert, kann man auf Roatan also recht sorgenfrei und sicher herumlaufen. Es ist dabei eben wichtig, immer auf die Eingeborenen und die Gastfamilie zu hören. Als Ausländer fällt man auch etwas auf und gerade als junge Frau muss man sich auf einige Flirtversuche und Zurufe gefasst machen – das kann man aber einfach mit Humor nehmen. Die Menschen in Honduras sind die wohl herzlichsten, freundlichsten Menschen, denen ich je begegnen durfte. Sie nehmen einen selbst als Fremden in ihre Häuser auf, laden einen zum Essen oder auf ein Getränk ein, stellen einen direkt als Freund vor und nehmen einen in ihre Freundeskreise auf. Von dem Wenigen, was sie haben, teilen sie alles und zeigen einem die Insel und all ihre geheimen Spots, ohne etwas im Gegenzug zu verlangen. Die Menschen helfen und unterstützen sich gegenseitig und leben wie eine einzige große Familie.
Gastfamilie:
Meine Gastmutter Catherine hat mich von beginn an wie eine Tochter behandelt und mir mehr Liebe und Fürsorglichkeit geschenkt, als ich mir je hätte erhoffen können. Über die Zeit ist sie mir eine sehr gute Freundin geworden. Ich hatte in ihrem Haus sogar ein eigenes kleines Apartment mit Küche und Bad, das mir viel Privatsphäre geboten hat. Die meiste Zeit habe ich aber viel lieber mit ihr auf dem Balkon gesessen und bei erregten Unterhaltungen das Meer betrachtet. Eine ihrer Töchter und ihr Ehemann leben derzeit in den USA, die beiden anderen Töchter in Tegucigalpa, daher führten wir lange eine kleine „Frauen-WG“, wobei auch oft Freundinnen von Catherine vorbeikamen, die dann auch im Haus lebten. Außerdem lebten zeitweise zwei weitere Volunteers im Schulprojekt bei uns, die mir wie Schwestern waren. Die Waschmaschine und Küche darf man jederzeit benutzen. Dabei kann es auch öfter mal vorkommen, dass der Strom für ein paar Stunden ausfällt oder eine Wasserleitung kaputt geht und es kein fließendes Wasser gibt, aber mit Catherine kann man gut durch jede kleine oder große Krise navigieren. Sie nahm mich gerne überallhin mit, stellte mich allen Leuten vor, brachte mich an Orte, die man als normaler Tourist nie kennenlernen könnte und gab mir Einblicke in die Kultur, die nur wenige Ausländer erhalten. Für mich als Christ war es ein besonderes Highlight, jeden Sonntag mit ihr in ihre Gemeinde zu gehen, wo die Kultur mit dem Glauben verbunden wurde und die Menschen tanzend und singend Lobpreis machten. Auch dort wurde ich wie in einer Familie aufgenommen und genoss den Kontakt zu den Menschen dort. In Punta Gorda lebte ich in der Communidad der Garífuna, die mich sehr herzlich als Teil ihrer Community aufnahmen und schon bald bei jedem Spaziergang mit Namen grüßten. In den kleinen „Pulperías“ dort kann man essentielle Materialien und Nahrungsmittel kaufen, für spezifischere Dinge muss man bis nach „French Harbour“ zu „Eldons-Supermarket“ fahren.
Die Arbeit im Krankenhaus:
Das öffentliche Hospital auf Roatan ist vor etwa einem Jahr abgebrannt und so arbeitete ich in einem improvisatorischen Gebäude einer alten Kirche, was die Arbeit noch herausfordernder und interessanter machte. In meiner letzten Woche dort fand dann endlich der langersehnte Umzug ins neue Hospital in Coxen Hole statt – die nächsten Volunteers dürfen also etwas bessere Arbeitsbedingungen erwarten😊. Es ist wichtig, dass man dabei seine eigene Arbeitskleidung von zuhause mitbringt – zur Not gibt es aber immer wieder auch mal Krankenhauskleidung in dem riesigen Secondhandshop „Megapaca“. Die Arbeitszeiten, die Fachrichtung und meine Tätigkeiten im Krankenhaus wurden mir alle offengelassen – so wie es mir am besten passt. Mit dem Essen der „Cocina“ im Hospital wurde ich morgens und mittags versorgt und lernte schnell das Inselessen lieben. Anfangs fuhr ich noch mit dem Bus zum Krankenhaus, was ziemlich sicher und auf jeden Fall eine Erfahrung wert ist, doch bald lernte ich eine Licenciada (Krankenpflegeleitung) aus Punta Gorda kennen, die mich gegen etwas Spritgeld mit sich zum Krankenhaus und zurücknahm. Ich entschied mich dafür, in der Pädiatrie zu arbeiten, wo mich die Krankenschwestern und Ärzte direkt wie einen Familienteil aufnahmen. Sie nahmen mich auch außerhalb der Arbeitszeiten zum Essengehen oder gemeinsamen Strandbesuchen mit und zeigten mir all ihre Lieblingsorte. Anfangs war es für mich sehr schwierig, mit dem ganz anderen System, den spanischen Fachbegriffen und medizinischen Fragen mit meinem begrenzten Wissen klarzukommen. Doch jeder im Krankenhaus war sehr geduldig mit mir, erklärte mir die Dinge sehr ausführlich und nahm mich in jedes medizinische Verfahren und jede medizinische Entscheidung mit. Ich erhielt Einblicke, die ich anderswo nie erhalten hätte – durfte in jeden Fachbereich schauen, bei OPs assistieren, Zugänge legen, Wundversorgungen durchführen, bei Patientenuntersuchungen Herz und Lunge abhören und vieles mehr. Wenn man interessiert und motiviert ist, bringen einem die Ärzte und Schwestern gerne alles bei, was sie wissen. Doch natürlich ist es nicht immer leicht. Ich sah dort zum ersten Mal eine Armut, die Menschen leben kostet, einen Mangel an Fachkräften, Medikamenten und Materialien, den man sich in Deutschland nicht einmal vorstellen kann, Krankheiten, die ich vorher nicht kannte und ein so korruptes System, dass es die Menschen zu erdrücken scheint. Gerade in der Pädiatrie tut es oft weh, die Kinder mit Malaria, Brandwunden, Dengue-Fieber, schweren Infektionen, Parasiten und Lungenentzündungen oder die Mütter zu sehen, die oft erst dreizehn oder vierzehn Jahre alt sind – in Honduras ist es nicht selten, schon ab zwölf Jahren Kinder zu bekommen. Im Hospital gab es nur einen OP-Saal, die Notfälle mussten nach Bedürftigkeit priorisiert werden und bei einem Stromausfall mitten in einem Kaiserschnitt musste im OP auch mal eine Handy-Taschenlampe aushelfen. Medizinische Notfälle, auf die das Hospital nicht gefasst ist, werden dabei oft mit der Fähre oder dem Flugzeug nach Tegucigalpa oder San Pedro Sula überwiesen. Aber all diesen Umständen zum Trotz durfte ich Zeuge davon werden, wie die Ärzte, Licenciadas und Krankenpfleger sich für ihre Patienten hingeben, unbezahlte Überstunden ablegen, Medikamente für Menschen kaufen, die sie sich nicht leisten können, Decken und Milch an Neugeborene verschenken und vor allem eine Hoffnung und Perspektive weitergeben, die diesen Menschen alles bedeutet. Ich durfte dort unter dem Krankenhauspersonal, aber auch im Patientenkontakt unendlich berührende und inspirierende Erfahrungen machen, die ich nie wieder vergessen werde und dabei auch medizinische Fachkenntnisse und Fähigkeiten erwerben, die mir später sehr helfen werden.
Fazit und Tipps:
Roatan ist das wohl Beste, was mir bisher passiert ist. Die Menschen dort können jede Hilfe brauchen und sind dankbar für jede Form von Unterstützung. Oft kann man aber viel mehr von ihnen lernen und mitnehmen. Also pack schonmal deine Koffer für dein bisher bestes Abenteuer – am besten mit einem offenen Herzen, einer humorvollen Einstellung und etwas Entspanntheit. Denn nein, Das System ist dort nicht so organisiert und pünktlich wie in Deutschland, aber genau das macht es auch spannend, zwangslos und einer Erfahrung wert. Auf Roatan findet man eine unvergleichliche Schönheit und Inspiration in Natur, Menschen und Kultur und es ist auf jeden Fall ein Ort, zu dem man immer wieder zurückkommen will.





















































