Stephan aus Deutschland
Ich hatte aufgrund meines Jobwechsels den August frei. Statt Urlaub oder wie eine Freundin sagte, “Dann kannst du ja abhartzen” wollte ich gerne ins Ausland und etwas Sinnvolles machen sowie neue Erfahrungen sammeln. Zentralamerika hat mich immer schon gereizt und ich dachte mir, dass ich dort ideal meine Idee umsetzen kann. Bei der Suche nach einem Projekt habe ich mehrere Organisationen in Guatemala, Honduras, Nicaragua und Belize gefunden, die vor allem Arbeit mit Kindern vermittelt haben. Da ich erst Ende Juni von der bevorstehenden Arbeitsunterbrechung im August erfahren habe, war die Planung und Umsetzung in meinem Fall sehr spontan. Bei der Organisation SWHO habe ich letztendlich genau das gefunden was ich gesucht habe: eine absolut individuell auf mich zugeschnittene Planung. Es gab keine fixen Anreisetermine oder andere starre Vorgaben, Customizing würde man im Marketing wohl dazu neudeutsch heute sagen. Als dann auch noch Kontakte zu einer honduranischen Bank im Bereich Mikrokredite bestand, war für mich klar, dass ich der SWHO mein Vertrauen schenken wollte. Als gelernter Banker und mit erweiterten Anfängerkenntnissen im Spanisch waren die Voraussetzungen für das Arbeiten in einer Bank natürlich nicht so schlecht.
Ich bin dann an einem Samstag Abend Ende Juli um 20:50 Uhr Ortszeit in Tegucigalpa, der Hauptstadt Honduras, angekommen und wurde gleich von Cesar in Empfang genommen. Wir fuhren direkt zur Gastfamilie, wo ich mein Zimmer bezogen habe. Am nächsten Tag ging es gleich zum Frühstück mit der Gastfamilie in ein französisches Café, von dort aus zur nahe gelegenen Villa Olimpica, einer Sportanlage, die jedem Bürger der Stadt für diverse Sportarten zur Verfügung steht. Nachmittags kam dann Eliane um mir eine erste Orientierung zu geben. Am Montag begann dann mein erster Arbeitstag in einer Bank, die sich auf Mikrokredite sowie auf KMU (kleine und mittlere Unternehmen) spezialisiert hat. Nach einer Vorstellung in allen vier Stockwerken gab es eine kleine Schulung über die Bank sowie über die einzuhaltenden Regeln. Die ersten drei Tage habe ich damit verbracht, die strategische Planung, die 2010 auf 51 Seiten definiert wurde zu aktualisieren. Hier war viel Internetrecherche gefragt, beispielsweise habe ich die Volkswirtschaftlichen Rahmendaten aktualisiert aber auch viele Informationen der Comision Nacional de Bancos y Seguros genutzt. Durch diese Tätigkeit konnte ich mir reinen sehr guten Überblick über die Rahmendaten sowie über die Bank und ihre Mitbewerber verschaffen. Am Freitag habe ich dann eine Kollegin begleitet, die die “Beratungen” der Mitbewerber getestet hat um einen Überblick über die Bedingungen und Konditionen der Mitbewerber zu erhalten. Am Montag ging es dann mit der Analyse am Schreibtisch eines speziellen Mitbewerbers weiter. Hier habe ich sämtliche Informationen in einer Powerpoint-Präsentation zusammengefasst, die dann bei einer Sitzung am Dienstag eingesetzt wurde. Die folgenden Tage waren dann dem Vertrieb gewidmet, der sich gänzlich von dem Bankenvertrieb in Deutschland unterscheidet. Ich habe in diesen Tagen an der Seite eines Koordinators, der für fünf bis sechs Bankfilialen zuständig ist, verschiedene Filialen besucht. Mein erster Tag im Vertrieb führte mich in die Colonia Kennedy. Hier sind wir zusammen mit dem Leiter der Filiale raus zum Kunden gegangen. Bei den Kunden handelt es sich um Mikrokreditkunden, die zum Teil nur kleine Stände mit Waren haben, zum Teil aber auch größere Stände oder Geschäfte mit Obst und Gemüse oder Kleidung. Weiterhin haben uns die Promotoren sowie die Assessoren begleitet. Die Aufgabe des Promotors besteht darin, neue Kunden für die Bank zu finden, die dann an den Assessor übergeleitet werden. In der Form wäre die Neukundengewinnung bei uns in Deutschland doch eher ungewöhnlich. Nach einem interessanten Tag in der Colonia Kennedy war für Mittwoch dann ein Tag bei der Filiale in Danli (ca. 105 km entfernt von Tegucigalpa) geplant. Abfahrt war 6 Uhr morgens. Nach einer Fahrtzeit von ca. 1h 45min. waren wir dort, von dort aus waren es nur noch 20 Minuten nach Nicaragua. Diese Tagestour war für mich das beeindruckendste Erlebnis. Nach einem kurzen Zwischenstop in der Filiale ging es raus zum Kunden. Diesmal aber nicht wie in der Stadt laufend sondern mit einem Allradfahrzeug. Die Wege sind kaum befestigt, wir mussten mehrere kleine Flüsse durchqueren. Nach ca. 1,5h Fahrtzeit und einem einmaligen Ausblick haben wir dann das erste Dorf erreicht. Hier haben wir sowohl Kunden besucht als auch potenzielle neue Kunden auf Empfehlung bestehender Kunden besucht. Beeindruckt hat mich hier insbesondere die Einfachheit, wie die Menschen leben in Kombination mit der Offenheit und dem Interesse, das uns entgegen gebracht wurde. Nach dem Besuch zweier weiterer Dörfer sind wir dann wieder nach Tegucigalpa zurück gefahren. Den Rest der Woche habe ich mit dem Koordinator weitere Filialen in der Stadt besucht. Einen Vormittag habe ich einen Promotor begleitet, der in einem Vorort der Stadt von Tür zu Tür gegangen ist und die Bank und die Produkte vorgestellt hat. In Deutschland würde das wohl abfällig als „Klinkenputzen“ bezeichnet, ich habe es aber aufgrund der äußerst positiven Reaktion der potenziellen Neukunden überhaupt nicht so empfunden. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und sofern Bedarf vorhanden war weitere Informationen zu geben. Die letzte Woche habe ich dann überwiegend in der Kreditabteilung verbracht und mir die Prozesse der Kreditprüfung näher angeschaut. Am Donnerstag bin ich dann noch einmal mit zu einer weiter entfernt gelegen Filiale gefahren in Juticalpa und Catacama im Bundesstaat Olancho. Die 174 km Entfernung haben wir in ca. 3h überwunden. Nach einer kurzen Besprechung mit der gesamten Mannschaft in der Filiale ging es auch wieder raus zum Kunden.
Durch meine vorhergehende berufliche Tätigkeit in einer Bank in Deutschland und mit den Erkenntnissen aus meinen drei Wochen über die Prozesse und Abläufe konnte ich der Bank einige Ideen zum Abschluss mit auf den Weg geben, was man in den Prozessen und Abläufen ändern und optimieren könnte. Insgesamt denke ich, dass durch meinen Aufenthalt eine Win-Win Situation erzielt wurde. Ich konnte hautnah erleben, wie es ist, fernab von zu Hause und fernab dem Komfort der eigenen Wohnung sowie des eigenen Autos an einem völlig anderen Platz der Welt zu arbeiten, der Bank habe ich durch meine Tätigkeit in der Planung sowie meiner Zusammenstellung der Ideen, mit denen der betriebliche Ablauf optimiert werden kann neue Impulse gegeben um zukünftig noch optimaler aufgestellt zu sein.
Die beiden Wochenenden habe ich genutzt um das Land kennen zu lernen. Am ersten Wochenende habe ich am Samstag das Valle de Angeles sowie Santa Lucia besucht. Am Sonntag bin ich dann mit dem Bus auf eine Tagestour an den Pazifik nach San Lorenzo gefahren. Die Busfahrt dauerte ca. 2,5 h, vor Ort habe ich mir dann von einem netten Taxifahrer alles zeigen lassen und bin noch mit einem Boot auf dem Pazifik gefahren. Das zweite Wochenende habe ich mir vorgenommen an die Küste im Norden, nach La Ceiba zu fahren. La Ceiba ist von Tegucigalpa ca. 400 km entfernt. So habe ich am Samstag früh um halb 8 den Bus genommen und war um 14:30 Uhr da. Als Unterkunft habe ich ein Hostal gewählt, mit der Hoffnung auch andere jüngere Reisende zu treffen. So war es dann auch, nachdem ich mir am Samstag mit einer Gruppe von jungen Kanadiern, die im gleichen Hostal untergekommen sind, La Ceiba angeschaut habe bin ich mit der gleichen Gruppe am Sonntag um 7 Uhr morgens zu den Cayos Cochinos, einer Ansammlung von vielen kleinen Inseln in der Karibik aufgebrochen. Die Überfahrt mit einem kleinen Boot dauerte ca. 1,5 h. Die Schönheit dieser einmalig gelegenen Inseln war einfach überwältigend. Nach der Rückkehr am 15 Uhr in La Ceiba habe ich dann den Bus um 16 Uhr zurück nach Tegucigalpa genommen, wo ich dann gegen 23.30 Uhr recht kaputt aber sehr zufrieden wieder zu Hause angekommen bin.
Ich bin sehr zufrieden mit meinem „Projekt“. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mir hat die Kombination aus Freizeit und Arbeiten sehr gut gefallen. Ich hatte den Eindruck, mich gut eingebracht zu haben, aber auch viel mitgenommen zu haben. Am tollsten fand ich die Menschen, die ich getroffen habe, meine Kollegen, aber auch viele andere, die immer absolut offen und interessiert waren. Danke auf jeden Fall an Eliane und Cesar, ohne die beiden wäre mein Aufenthalt sicher nicht so spontan möglich gewesen und trotzdem so toll geplant und gut organisiert gewesen.